Echte Helden

Wir Segler nehmen für uns ja in Anspruch, dass wir die wahren Abenteurer sind. Abends in der Marina Kneipe werden die Wellen von Bier zu Bier höher, die Windstärken nehmen im Quadrat zu den Promille Blutalkohol zu.

Der Segler: Lag in der Ankerbucht. Fünf Meter Wassertiefe, dreißig Meter Ankerkette. Sonnenuntergang und entspannte Stimmung an Bord. Die Sterne verschwinden vom Himmel. Es wird schwül-warm. Schwere Luft. Die ersten Böen treffen auf die Yacht. Regen, Starkregen, Wolkenbruch. 35 Knoten Wind in der Bucht. Ankeralarm. Schaumkronen auf dem Wasser. Der Anker gibt nach. Drei Meter Wassertiefe. Der Anker hält wieder. Motor an und den Anker entlasten. Regen im Gesicht. Fünf Meter Sicht. In drei Stunden ist der Sturm vorbei. Ruhe. Der Skipper ist der Held.

Der echte Held: Erste Einladung bei den Eltern der neuen Freundin. Sie sind Vegetarier, er nicht. Also schnell noch den Rest Gulasch vom Vortag gegessen, bevor er zu Grünkernbratlingen und Knusper–Tofu mit Sauce antreten muss. Die Begrüßung ist herzlich, ihre Eltern schauen irritiert auf seinen Mund. Er lächelt nicht mehr. Zwischen 4-2 und 4-3 hängt noch ein Stück von dem Gulasch. Die Story, dass er seit Jahren vegetarisch lebt steht auf der Kippe. Er puhlt mit der Zunge. Rindfleisch zwischen den Zähnen ist hartnäckig. Der Versuch mit einem Gabelzinken führt fast zum Zahnverlust. Die Eltern seiner Traumfrau wundern sich, warum er so wortkarg ist. Zuflucht ins Bad. Grimassen vor dem Spiegel, Versuche mit den Fingernägeln. Erfolglos. Er findet eine Haarnadel. Es gibt ein kleines Blutbad zwischen 4-2 und 4-3, aber das Stück Gulasch ist raus. Einer Zukunft mit seiner Traumfrau und ihren wohlhabenden Eltern ist frei für den Helden.

Der Segler: Der Wetterbericht verspricht eine schnelle Überfahrt. 230 Meilen sollten in 2 Tagen zu schaffen sein. Yacht und Crew sind vorbereitet. Die ersten Stunden auf See sind entspannt. Bis sich die ersten Wolkentürme am Horizont zeigen. Vorsichtshalber wird auf die kleine Fock gewechselt. Der Skipper gibt Anweisung die Westen anzulegen. Die ersten Crewmitglieder haben weiße Nasen. Die ersten Wellen habe weiße Köpfe. Man zeigt, was es zum Abendessen gab. Angurten, reffen. Schaumstreifen wehen aus. Der Skipper ist alleine an Deck. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Steuern ist Handarbeit. Es wird dunkel und niemand ist in der Lage einen Tee zu kochen. Um drei Uhr früh lässt der Wind nach. Die See beruhigt sich, der Autopilot steuert. Der Skipper ist der Held.

Der echte Held: Abteilungsleiter mit dem Kariere Ziel Geschäftsführung in einem Automobil-Zulieferbetrieb. Der Inhaber lädt den Helden und seine Frau zu einem Arbeitsessen zu sich nach Hause ein. Wird das der nächste Schritt nach oben? Die Hausdame serviert ein Glas Sekt. Smalltalk. Einen Aperitif, ein Glas Wein und ein Glas Wasser später meldet sich kurz vor dem Hauptgang der Harndrang. Ein weiteres Glas Wein und es gibt es kein Halten mehr. Die Hausdame führt den druckgeplagten Helden zur Gästetoilette. Türe abschließen und Hose runter sind eine Bewegung. Doch da steht sie vor ihm. Die Leeventus – J430R -. Das neueste vollautomatische Dusch WC Modell Made in Korea. Mit pulsierendem Wasserstrahl sowie einstellbarer Temperatur für Wasser- und Föhntemperatur. Selbstverständlich mit LED-Nachtlicht und Remote Control. Angst macht sich breit. Was geschieht, wenn das Gewicht des Abteilungsleiters auf die Brille der High Tech Toilette trifft? Ist sie stabil genug? Und was geschieht unter ihm, wenn er sich erleichtert hat? Der Druck ist kaum noch auszuhalten. Im stehen geht auch nicht. Das Waschbecken? Nein! Und wenn er sich doch auf die Leeventus setzt? Die Fernbedienung hat mehr Knöpfe als sein TV-Gerät zu Hause. Was passiert, wenn er den falschen Knopf drückt? Ängste, die nur Männer kennen machen sich in ihm breit. Die Toilette befindet sich im Erdgeschoss. Das Fenster ist groß genug. Kurz die Hose hoch, auf das Fensterbrett gesetzt, und schon steht er in einem dichten Busch. Jetzt hält ihn nichts mehr. Was für eine Erleichterung. Zurück in der Gästetoilette noch schnell die Hände gewaschen und es kann Richtung Hauptgang und Beförderung gehen. Ein kurzer, prüfender Blick des Gastgebers und ein leichtes Nicken des Gastes zeigen wie Aufgaben gestellt werden und echte Helden diese lösen.