Werfttage

Heute habe ich meinen Motor geputzt. Neben den üblichen Servicearbeiten wie Filter- Impeller- und Ölwechsel habe ich mir die Zeit genommen und ihn einfach mal gründlich gereinigt. Da haben wir um die Wette gestrahlt, der Motor und ich. Das verstehen Menschen, die kein Boot besitzen nicht. Es sind die kleinen Dinge, mit denen wir uns im Winterlager froh machen.

Meine Yavas Yavas steht währende der Werfttage in meinem türkischen Heimatort Bozburun an Land. Werft mag ich noch gar nicht so richtig sagen. Es ist eher eine große Ansammlung von Schiffen und Yachten unterschiedlicher Größe die auf etwas abenteuerlichem Weg an Land gekommen sind. Der Boden wechselt je nach Wetter zwischen schlammig und staubig. Und zwischen all diesen Booten wuseln eine Vielzahl unterschiedlich begabte Handwerker herum. Skippers erste Aufgabe ist, gute, bezahlbare und verfügbare zu finden. Das ist jetzt noch möglich. Da die Saison, ähnlich wie Weihnachten in Deutschland, immer so plötzlich kommt, sind im April sämtliche Arbeiter, die einen Schraubenzieher von einem Hammer unterscheiden können ausgelastet.

Jetzt muss man sich das nicht so vorstellen, wie in Deutschland ein Handwerker engagiert wird. Da wird festgelegt, was zu tun ist, ein Angebot erstellt, dies bestätigt und wenn man Glück hat, kommt auch jemand zum vereinbarten Termin – oder auch nicht. Hier ist das etwas anders. Da sitzen wir zusammen, und bewundern erst mal das Boot. Dazu gibt es Cay, den Schwarztee in kleinen Gläsern. Dann nähern wir uns der Aufgabenstellung mit Händen, Füßen, Stift und Papier und über alle Sprachgrenzen hinweg finden wir Lösungen. Auch eine ungefähre Preisidee wird genannt. Und ja, natürlich bezahle ich erst einmal einen Teil davon. Es muss ja Material gekauft werden und dann heiratet ja auch noch der Bruder vom besten Freund meines Elektrikers….. Zum vereinbarten Termin kommt er dann auch – oder auch nicht…. Es ist eine Freude mit so praktisch veranlagten Menschen zu arbeiten.

Für Worte wie „Arbeitsschutzverordnung“ oder „Berufsgenossenschaft“ gibt es im türkischen gewiss keine Übersetzung.

Sehr viel Freude hätten die Arbeitsschützer mit dem Gehilfen des Kranfahrers gehabt. Der schützt seine Füße in Staub und Schlamm mit wunderschönen Pantoffeln gegen das Risiko unter Holzbalken oder Räder zu kommen.

Pantoffeln

Ich kenne ja die Gewohnheit der Werftarbeiter, die Bootseigner mit ihrem Schiffsnamen anzusprechen. Da muss man sich nur einen Namen merken und Louise oder Yavas Yavas ist für einen türkischen Arbeiter leichter zu auszusprechen als Wolfgang-Rüdiger oder Regina-Maria. Die nächste Stufe der Ansprache ist “Kaptan“. Das schmeichelt dem Eignerstolz und entbindet den Werftarbeiter davon schwierige Namen zu lernen. Seit dieser Woche werde ich immer öfter mit „Patron“ angesprochen. Das klingt so nach dickem Ledersessel und reichlich Personal, das alle meine Wünsche erfüllt. Mein Ego wuchs stündlich. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich realisierte, dass „Patron“ eher ein werft-internes Codewort ist für „das ist der, der die ganze Party hier bezahlt“ – und einen Schiffsnamen braucht man sich dann auch nicht mehr zu merken.