Zähne putzen

Es gibt Ereignisse die kommen nur einmal im Jahr vor. Weihnachten, Geburtstag oder eine pünktliche Zugverbindung. Ein jährliches Ritual bei mir an Bord ist die Pflege der Winschen. In der Theorie ist das ganz einfach. Kopfschraube lösen, Oberteil abnehmen, Winschen- Glocke abheben, Foto machen, Zahnräder entnehmen, Foto machen, Nadellager abziehen, Foto machen, Achsen aus dem Sockel nehmen, Foto machen. Alle Teile mit Benzin waschen, fetten und wieder zusammen bauen. Eigentlich kein Ding. In der Theorie. Gelegentlich schaue ich mir Filme an, wie andere Leute solche Aufgaben erledigen. Wie unter Laborbedingungen demontiert da ein Bescheidwisser die Winsch mit sauberen! Händen. Nichts fällt runter, die Gummihandschuhe lösen sich nicht im Benzin auf und in 7.43 Minuten ist die Winsch fertig für die Saison.

Bei mir sieht das anders aus. Ab dem 2. Arbeitsschritt sind meine Handschuhe von altem Fett und Staub verdreckt. Natürlich auch das Handy mit dem ich die Fotos mache um nachher alles wieder an die richtige Stelle zu montieren. In einer Plastikbox reinige ich die verklebten Teile mit Benzin. Meine Gummihandschuhe lösen sich auf und meine Finger sind farblich nicht mehr von den schmutzigen Zahnrädern zu unterscheiden. Ich kann mein Telefon nicht mehr entsperren weil der Fingerabdruck nicht mehr lesbar ist. Keine Fotos mehr. Eines der kleinen Nadellager fällt in der Benzinbox auseinander.

Eine Stunde und fünfzehn Minuten später habe ich es geschafft die winzig kleinen Metallstifte mit einer Pinzette in ebenso kleine Kunststoffringe zu platzieren. Bopbopbop, bummm, bopbopbop. Keine Sorge, Ihr müsst jetzt keine Geräusche raten. Ein frisch gefettetes Zahnrad kippt, rollt vom Tisch und landet auf dem Teakboden im Cockpit. Eine viertel Stunde später ist der Fettfleck nicht mehr zu sehen. Hände waschen, Telefon entsperren und alle Teile wieder zusammenbauen. Ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Die verchromte Glocke aufgesetzt und die Sicherungsschraube eingedreht. Was für ein sattes Geräusch wenn die Sperrklinken einrasten. Langsam drehe ich die Winsch mit der Hand und könnte mir im Moment keine schönere Musik vorstellen. Ich räume den Tisch auf.

Schock! Da liegt sie. Grinst mich an. Die Unterlegscheibe die unter das erste Zahnrad gehört. Wenn ich aufschreiben würde, was mir in dem Moment durch den Kopf ging, hätte das eine lebenslange Sperre auf Facebook zur Folge.
Zu Hause erwartet mich dann die Frage: Was hast Du heute so gemacht?